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Fünf Jahrzehnte Austausch zum »Minsk« und »Potsdam«

Laufzeit: 7. bis 27. Oktober 2022

Öffnungszeiten:

Mi – Fr: 14 – 18 Uhr

Sa – So: 11 – 16 Uhr

 

Die Ausstellung und das Begleitprogramm im Kosmos erinnern an die ambivalente Geschichte der Entstehung und der Planung der Restaurants »Potsdam« in Minsk und »Minsk« in Potsdam in den 70ern sowie an das umkämpfte Schicksal der Bauwerke nach der Schließung der gastronomischen Einrichtungen.

Die Ausstellung zeigt Originalobjekte der mittlerweile verschwundenen Interieurs, historische Fotos, Pläne, historische Fotos und Archivmaterial. Die Arbeiten der Künstler:innen Rozaline Busel (Belarus, aktuell in Polen), Uladzimir Hramovich (Belarus, aktuell in Berlin), Rodney LaTourelle (Kanada, lebt in Berlin), Martin Maleschka (Eisenhüttenstadt) und Sonya Schöneberger (Berlin) kommentieren den Umgang mit dem Erbe der Nachkriegsmoderne mit ihren zeitgenössischen Positionen.

 

GASTMODERNE ist ein Projekt des FÜR e.V. und wird entwickelt und umgesetzt von Oxana Gourinovitch, belarusischstämmige Architekturhistorikerin, Anja Engel, Leitung des Rechenzentrum und Ania Dejewska, freischaffende Kulturmanagerin und gefrödert vom MWFK des Landes Brandenburg, der Landeszentrale für Politische Bildung Brandenburg sowie der Landeshauptstadt Potsdam.

GASTMODERNE

Die GASTMODERNE ist die Potsdamer Edition des Ausstellungsprojektes „Das Minsk”, welches 2020 in der belarussischen Hauptstadt stattfand. In der Ausstellung wird beleuchtet, wie die beiden Restaurants in den 70ern in der Sowjetunion und der DDR entstanden und bestanden – und was postsozialistisch mit den Gebäuden geschah. In der Potsdamer Ausstellung kommentieren von zeitgenössischen Künstler:innen aus Belarus und Deutschland den Umgang mit dem Nachlass des Austauschs und mit dem Bauerbe der Ostmoderne. Das Begleitprogramm bietet Künstler:innen, Architekt:innen, Historiker:innen und Aktivist:innen aus beiden Ländern und aus unterschiedlichen Zeitabschnitten eine Diskussionsplattform.

Potsdamer Künstler:innen richteten in Minsk das Restaurant »Potsdam« zum Juli 1971 ein. Sechs Jahre später, im November 1977, eröffnete das Terrassenrestaurant »Minsk« in Potsdam, dessen Inneneinrichtung von belarussischen Künstler:innen gestaltet wurde. Prestigeträchtig und prominent platziert, wurden die beiden Restaurants zu Wegmarken der gastgebenden Städte – und auch zu Orten der informellen lokalen Aushandlung. Im »Minsk«, das zu Füßen des Potsdamer „Kreml” lag, gehörten SED-Kader zu den Stammgästen des Restaurants. Das »Potsdam« wurde zum Portal zum „Westen”: Das Restaurant war Treffpunkt der Diplomat:innen, der Politik- und Kulturelite, aber auch der „Farzovschchiki” — der Spekulant:innen, die westliche Waren an besser situierte Minsker:innen brachten.

Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden die Gaststätten nicht mehr für ihre ursprünglichen Zwecke benötigt. Die Inneneinrichtung vom »Potsdam« verschwand spurlos in den wilden 1990ern. Das »Minsk« wurde in den 2000ern dem Verfall überlassen.

In den 2010ern brachte der drohende Abriss die Restaurant-Ruine ins Zentrum der lebhaften Potsdamer Stadt Debatten und konsolidierte die Zivilgesellschaft über die Stadtgrenzen hinaus. Ein Abriss konnte bis 2019 verhindert werden. Nach dem Verkauf des Grundstücks entsteht ein privates Kunstmuseum in den Mauern des einstigen Restaurants, welches im September 2022 eröffnet.

Dieser überraschende Ausgang des fast zehnjährigen zivilgeschaftlichen Widerstands wurde zum Anlass für das Ausstellungsprojekt „Das Minsk”, welches im Oktober 2020 in der belarussischen Hauptstadt mit Unterstützung des Goethe-Instituts vor Ort realisiert wurde. Es sollte unter anderem die Minsker:innen zu mehr gesellschaftlichem Engagement ermutigen und das aufkeimende Interesse an der sozialistischen Moderne nähren. Doch als die Ausstellung eröffnete, war Belarus von einem friedlichen Protest beispiellosen Ausmaßes ergriffen. Einige der belarussischen Ausstellungsmacher:innen wurden verhaftet. Die brutale Niederschlagung der Proteste weist darauf hin, wie wertvoll eine liberale demokratische Ordnung mit ihrem Recht auf Meinungsverschiedenheiten ist.

Mit dem Rechenzentrum hat die Ausstellung einen Ort gefunden, der seit seiner Entstehung für Debatten über das Erbe der sozialistischen Moderne, die Macht der Zivilgesellschaft und das Recht auf Dissens steht.

Details zu Projekt und Begleitprogramm