Nov
10

Mit dem neuen Kalender werden wir unsere fünfteilige Serie über die moderne Architektur Potsdams abschließen. Was 2016 mit dem Blick auf „Muster und Struktur“ der Ostmoderne begann, findet nun seinen Abschluss in einem weiteren Versuch, der Moderne in Potsdam ihre verdiente Anerkennung zu verschaffen. Ein Kreis schließt sich, doch nicht ohne eine gewisse Trauer über das, was verloren gegangen ist.

Warum „verlorene Moderne“? Der Kalender zeigt eine Auswahl an modernen Bauwerken, welche in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus dem Stadtbild Potsdams verschwunden sind. Vor allem, aber nicht nur in der Innenstadt wurden moderne Bauwerke abgerissen, um Platz für Rekonstruktionen und Neubauten zu schaffen, die sich stärker an älteren historischen Vorbildern orientieren. Was dabei verloren ging, ist nicht nur Beton, Stahl und Glas, sondern ein Stück der architektonischen Seele der Stadt, das eben auch ihre jüngere Vergangenheit widerspiegelte. Welche Gebäude in Potsdam dem Abriss preisgegeben und welche rekonstruiert werden, sagt viel über die gegenwärtige Bewertung von Geschichte aus.

Die Architektur der Moderne erfuhr bundesweit erst in den letzten Jahren eine neue Wertschätzung, die auch durch das 100-jährige Bauhausjubiläum und die damit verbundene Rückbesinnung auf die gestalterischen und sozialen Ideen dieser Epoche gestärkt wurde. In Potsdam blieb diese Wertschätzung jedoch weitgehend aus. Die Bauwerke der Moderne gelten hier nach wie vor als störende Fremdkörper im historischen Stadtbild, statt als integraler Teil der Stadtgeschichte. Die Chance, architektonische Sonderbauten der Moderne als Solitäre stehen zu lassen, wurde in Potsdam oft verpasst. Die verlorenen und oftmals geschmähten Bauten waren jedoch mehr als nur funktionale Gebäude; sie erzählten Geschichten von Aufbruch und Visionen einer neuen Gesellschaft. Diese ins Stadtbild zu integrieren, wäre ein mutiges Statement gewesen, dass Geschichte eben nicht nur in den prunkvollen Fassaden des Barocks oder Klassizismus besteht, sondern auch in der Architektur der Moderne, die einst die Zukunft repräsentierte.

Dieser Kalender erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, noch möchte er zur Verklärung oder Nostalgie einladen. Die Motive sollen an die verpassten Chancen erinnern, daran, dass diese Bauten wertvolle Zeugnisse ihrer Zeit waren und im heutigen Stadtbild eine spannende Kontrastierung hätten bieten können. Dieser Kalender soll nicht nur dokumentieren, was verloren ging, sondern auch zum Nachdenken anregen. Welche Bedeutung hat moderne Architektur in unserer Stadt? Was sagt der Abriss dieser Bauten über den Umgang mit unserer Geschichte aus? Welche Chancen haben wir verpasst? Und wie wollen wir die Zukunft gestalten?

Mit 14 Motiven der Potsdamer Verlorenen Moderne umspannt dieser Kalender fast 100 Jahre Baugeschichte. Jedes Motiv wurde von den KünstlerInnen nach ihrem eigenen Verständnis bearbeitet, interpretiert und in dreifarbigen Siebdrucken zu Papier gebracht, um diesen verschwundenen Orten noch einmal eine Bühne zu geben. In der Hoffnung, dass dieser Kalender nicht nur als Erinnerung an das Vergangene, sondern auch als Impuls für die Gestaltung der Zukunft verstanden wird, wünschen wir Ihnen ein Jahr voller nachdenklicher und inspirierender Momente.

Ab 12.11.24 sind die Kalendermotive im Foyer des Bürgerhaus am Schlaatz in einer kleinen Ausstellung zu sehen (Öffnungszeiten Montag bis Freitag von 8 bis 16 Uhr).