Zwischen Ambition und Kollateraleffekt: Eine künstlerische Verhandlung des Laufs der Dinge in dem Areal rund um das Rechenzentrum Potsdam

Nichts in der Welt bleibt wie es ist: Die Höhe der Miete kennt seit Jahren nur eine Richtung, der Tisch war früher mal ein Baum und der Hund im Sessel ein Wolf. Der Joghurt trägt wieder grünen Pelz und die Sterne da oben werden alle irgendwann verglühn…

Vielen Transformationen schaut der Mensch verwundert zu, andere bewirkt er selbst im Rahmen seiner kulturellen Praxis. Manche sind unterhaltsam, andere nagen an der ganzen zivilisatorischen Existenz. Als Betrachtungs- und Handlungsfenster definieren Prozesse einen transformatorischen Vorgang und sind von der begrifflichen Kategorie her selbst ein kulturelles Produkt. Zwischen zwei zeitlichen Punkten beschreiben sie eine Veränderung, die in den Dimensionen des Raumes, der Materie und/oder der Psyche stattfindet. Was als Prozess identifiziert wird, spielt in der Natur, in der Kultur – oder gleichzeitig in beiden Sphären. Immer hat der Prozess Konsequenzen und ist eingebunden in komplexe Wechselbeziehungen zu anderen. Ein Teil dieses Weltzusammenhangs ist kulturell justierbar. Aus der menschlichen Perspektive einer nachhaltigen Permanenz stellt sich daher die Frage: Welche Prozesse lassen sich wie und zu welchem Zweck feststellen, verhandeln und regulieren? Mit dieser zweigeteilten Ausschreibung zoomen wir aus der globalen Sicht hinein in die Prozesse einer Stadt des großen Material- und Ideentransfers: Potsdam.

Konzeptionelle Verortung

Zwei Akteure des Potsdamer Kunst- und Kreativhauses Rechenzentrum (RZ) schreiben gleichzeitig Kunstwettbewerbe aus, die sich mit Prozessen im Areal rund um das RZ beschäftigen: Die zweite Ausgabe des Kunstfestivals TRANSFORMALE wird vom Verein Freundliche Übernahme Rechenzentrum (FÜR e. V.) initiiert, während das künstlerische Forschungs- und Ausstellungsformat VERLÄUFE ihm Rahmen von DivAirCity passiert – einem Projekt der Stiftung SPI.


Mit der ersten TRANSFORMALE www.transformale.de im Jahr 2020 waren Kunstschaffende eingeladen, sich mit den räumlichen, ästhetischen, historischen und politischen Gegebenheiten des Areals auseinanderzusetzen. In der zweiten Ausgabe liegt der Fokus nun auf kulturell initiierten Prozessen. Zusammen mit der ökologischen Perspektive des Projektes VERLÄUFE entsteht so das thematische Spektrum der Doppelausstellung.

Die TRANSFORMALE sucht künstlerische Positionen, die sich mit absichtsvollen oder unbewusst initiierteProzessen im Rahmen der Stadt(um)gestaltung auseinandersetzen. Sie betrachtet den definierten Stadtraum als eine Bühne der Ideen und der (zweckgerichteten) Materie im Spannungsfeld des Sozialen. Die VERLÄUFE hingegen identifizieren das Areal um das RZ als Teil der Ökosphäre und untersuchen dieses
hinsichtlich seiner Umwelteigenschaften, seiner Dynamik der ökologischen Veränderung/Veränderbarkeit
und Resilienz.

Beide Wettbewerbe münden im Juni /Juli 2023 in einer gemeinsamen Ausstellung im öffentlichen Raum. Künstler:innen und Künstler:innengruppen werden aufgefordert, ihre Bewerbungen eindeutig einem der beiden Wettbewerbe zuzuordnen. 

Das Areal

Das etwa fünf Hektar große Gebiet rund um das Rechenzentrum Potsdam – auch bekannt als die Plantage – weist einen hohen Transformationsgrad auf. Vielleicht ist es der höchste Potsdams. Die Dynamik wird maßgeblich von den baulichen Aktivitäten bestimmt, die im Zuge der »Wiedergewinnung der historischen Mitte« seit der politischen Wende in Potsdam stattfinden und massive Abriss-, Um- und Neubaumaßnahmen umfassen.

Der umstrittene Wiederaufbau des Garnisonkirchenturms und das Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum sind die beiden Hauptakteure auf dieser Bühne, wobei letzteres durch ersteres massiv bedroht wird. Es wird weiterhin heftig um den Ort gerungen, an dem sich beide Entitäten bis auf wenige Zentimeter nahe kommen und in Teilen sogar überschneiden.

Das gesamte Areal hat sich seit der ersten TRANSFORMALE 2020 stetig weiter verändert. Markierte damals die große Brache einen Zwischenzustand, hat sich dieser heute in den neuen Sport- und Freizeitplatz informiert, der ganz andere Menschen anzieht, als früher hier in einer Rechnerhalle gearbeitet haben.

Für weitere Fragen und einen ausführlichen READER mit Bildern, Texten und entsprechenden Links zur Vorbereitung: Bitte eine E-Mail an transformale@rz-potsdam.de

 

Bewerbungsfrist 02.Mai 2022

Ausschreibung T R A N S F O R M A L E

des FÜR e. V.:

Die TRANSFORMALE sucht drei künstlerische Positionen, die sich mit dem städtischen Areal um das RZ auseinandersetzen. Bestimmt wird dieses Gebiet hoher historischer Komplexität von einer beschleunigten Abfolge räumlicher Zustände (zum Teil hegemonialer Ambition), die oftmals keine Zeit bekommen, in ihren ästhetischen wie inhaltlichen Dimensionen erfasst und diskutiert werden zu können. Die TRANSFORMALE versteht sich aus diesem Grund als ein diskursives Innehalten und Angebot, sich bewusst mit den ständig neu entstehenden und alsbald wieder zerfallenden Realitäten in der städtischen Mitte auseinanderzusetzen.

In seiner zweiten Ausgabe regt das Kunstfestival eine Auseinandersetzung mit Prozessen an, die in dem definierten Areal auf Mikro- oder Makroebene wirken und kulturellen Ursprungs sind: Geplante und unbeabsichtigte, erduldete und gefeierte Prozesse, Prozesse der großen Ambition wie des unbemerkten Kollateraleffekts, Prozesse der Ästhetik, der Artikulation und der Atome können hierbei im Fokus der künstlerischen Untersuchung stehen.

Gesucht werden Positionen, die diese Prozesse benennen, kommentieren, kontextualisieren, utopisch behaupten, imitieren, umkehren, multiplizieren, intensivieren, unterbrechen oder ästhetisieren – und schließlich produktiv in Kunst transformieren.

 

Ausschreibung V E R L Ä U F E
der Stiftung SPI im Rahmendes EU – Forschungsprojektes DivAirCity:

Als verdichtete Kulturräume sind Städte zugleich Lebensraum und ein Teil der Ökosphäre dieses Planeten. Im grenzenlosen, globalen Naturhaushalt wirken sie als Faktor und bilden selbst Umwelt für Lebewesen aller Art.

Die VERLÄUFE nehmen deshalb den städtischen Raum als eine ökologische Zone in den Blick. Gesucht werden drei künstlerische Arbeiten, die biologische, energetische, klimatische oder geologische Prozesse innerhalb des RZ-Areals vor dem Hintergrund der Klimakrise untersuchen – und dabei zwischen Kunst und Wissenschaft changieren: Die Untersuchung kann zwischen künstlerischem Forschen und/oder wissenschaftlichem Arbeiten angelegt sein.

Egal ob eine Bestandsaufnahme lokaler Prozesse, deren Wechselspiel im globalen Zusammenhang oder die Skalierung des Vorgefundenen in empirisch wahrscheinliche oder behauptete Zukunftsszenarien: Als Ausgangspunkt für die Entwicklung einer künstlerischen Arbeit könnte die Daten- und Erkenntnisproduktion von Wissenschaft und Forschung dienen, die Interpretation beobachteter Phänomene oder das Zählen, Messen, Mikroskopieren…


Als Ergebnisse der künstlerischen Arbeit sind formale Werke, forschende Interaktionen, prognostische Beschreibungen oder die Forschungsprozesse an sich denkbar.

Hier mehr zu den Teilnahmebedingungen für  DIE TEILNAHME: 29.03. – Ausschreibung Transformale & Verläufe