Potsdam braucht das Rechenzentrum. Jetzt erst recht.
Das RZ ist ein Ort für Kunst, Teilhabe und Dialog, mitten in einer Stadt, die mit ihrer Geschichte ringt. Doch seine Zukunft ist bedroht – trotz politischer Zustimmung. Wir fordern den Erhalt dieses soziokreativen Freiraums – für ein offenes, diverses und lebendiges Potsdam.
>>>>> Hier direkt zum Formular für die Unterzeichnung dieses Unterstützer:innenbriefes
oder nach der Lektüre des gesamten Aufrufs:
…
Potsdam braucht das Rechenzentrum – aus sozialen, künstlerischen und zeithistorischen Gründen.
Wir, die Unterzeichnenden, wenden uns mit diesem Schreiben an die Öffentlichkeit, um unsere Besorgnis über die aktuelle Situation rund um das RZ zu äußern – und unsere klare Unterstützung für diesen besonderen Ort zu bekräftigen.
Das Rechenzentrum hat sich in den vergangenen zehn Jahren als einzigartiger Raum für Kunst, Kultur und soziale Teilhabe etabliert. Es ist ein bedeutender Freiraum für kreative Entfaltung, soziokulturelle Begegnung und zivilgesellschaftliches Engagement – getragen allein durch Mieteinnahmen, ohne institutionelle Förderung. Mitten in der Innenstadt.
Besonders eindrucksvoll ist das architektonische und symbolische Nebeneinander: Der Bau mit DDR-Geschichte und denkmalgeschütztem Mosaik steht unmittelbar neben dem rekonstruierten Turm der barocken Garnisonkirche. Hier wird deutsche Geschichte in ihrer ganzen Vielschichtigkeit sichtbar – im Kontrast, im Dialog, im Spannungsfeld.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, Schirmherr der Stiftung Garnisonkirche, brachte es treffend auf den Punkt:
„Im Stadtbild zeigt das Ensemble vom wiederaufgebauten Turm und dem angrenzenden Rechenzentrum aus DDR-Zeiten die Ambivalenzen, die zuzulassen sich lohnt. So wie der Wiederaufbau des Turmes legitim war und bleibt […], so sollte auch das Rechenzentrum erhalten bleiben. Beide Gebäude müssen zu einer Koexistenz finden. Spannungsreich wird sie sein, diese Koexistenz, aber sie kann die Stadt in der Auseinandersetzung mit ihren verschiedenen Vergangenheiten wieder zusammenführen.“
Doch genau dieser Ort ist in seiner Zukunft gefährdet – trotz politischer UNterstützung und Mehrheitsbeschlüsse
Im Dezember 2024 sprach sich eine Mehrheit der Potsdamer Stadtverordneten für eine Verlängerung der Nutzung um weitere fünf Jahre aus, inklusive der Entwicklung von Szenarien für eine Sanierung.
Nebenan wächst das neue Kreativquartier, was Ergänzung, aber nicht Ersatz für das Rechenzentrum sein wird. Es bietet weder ausreichend kleinteilige Räume noch Bezahlbarkeit für viele. Dass Potsdam beide Orte braucht, dazu haben sich die zukünftigen Nutzenden des neuen Langes Stalls und die jetzigen Nutzenden des RZ erst kürzlich positioniert.
Dennoch bleibt die Lage unklar. Die aktuellen Nutzungsverträge laufen am 31. Januar 2026 aus.
Die Stiftung Garnisonkirche hat ihre Mitwirkung an einer Machbarkeitsstudie, die eine langfristige Zukunft des Rechenzentrums in einem angedachten „Forum an der Plantage“ entwickeln sollte, kürzlich zurückgezogen. Die Stiftung knüpft ihre weitere Mitwirkung an die Rücknahme zweier Beschlüsse der Stadtverordneten: Den Beschluss vom Juli 2024, den Plenarsaal für die Sitzungen der Stadtverordneten auf dem Rathausgelände (statt am ehemaligen Kirchenschiff) zu errichten, sowie die Verlängerung des Rechenzentrumsbetriebs um fünf Jahre, die im Dezember 2024 beschlossen wurde.
Das Potsdamer Bauamt, unter dem Beigeordneten Bernd Rubelt, nennt zahlreiche bauordnungsrechtliche Hürden, die gegen eine Weiternutzung des Rechenzentrums sprächen u.a. fehlende Duldungsgründe und Vetorechte der Stiftung Garnisonkirche. Trotz politischer Willensbekundung steht hier im Mittelpunkt, was alles nicht geht — statt dem, was geht.
Die Situation ist komplex – aber keineswegs unlösbar.
Deshalb appellieren wir an die Verantwortlichen in Politik, Verwaltung, Kirche und Zivilgesellschaft: Setzen Sie sich aktiv für die Weiternutzung und den langfristigen Erhalt dieses soziokreativen und gemeinwohlorientierten Ortes ein. Folgen Sie dem Beschluss der Stadtverordneten – und geben Sie dem Rechenzentrum eine verlässliche Perspektive.
Die hier beheimateten Projekte, Ateliers, Studios, Begegnungsräume und Initiativen leisten einen wesentlichen Beitrag zur kulturellen Vielfalt, urbanen Lebendigkeit und sozialen Offenheit Potsdams. Gerade im Zusammenspiel mit dem Garnisonkirchenturm liegt das besondere Potenzial dieses symbolisch aufgeladenen Ortes.
Potsdam braucht das Rechenzentrum.
ZUR UNTERZEICHNUNG
ZU DEN UNTERZEICHNENDEN
Statements von ausgewählten Unterstützer:innen
Prof. Dr. Christoph Martin Vogtherr
Das Rechenzentrum mit seinem Mosaikfries ist ein bedeutender Bau der Moderne und ein zentrales Zeugnis der Geschichte Potsdams. Wichtige Gebäude aus der Zeit der Bezirkshauptstadt sind inzwischen beseitigt worden – umso wichtiger ist es, direkt neben dem Neubau des Garnisonkirchturms dieses Zeichen der vielschichtigen Geschichte Potsdams zu bewahren.
Seine Erhaltung ist aber nicht nur eine Frage der gebauten Erbes. Als Ort der künstlerischen Produktion ist das Rechenzentrum wichtiger Teil der Kulturstadt Potsdam.“
Katja Lewina, Autorin
Das Rechenzentrum ist kein Bonus für diese Stadt – es ist ihr kreatives Gedächtnis, ihr utopisches Versuchslabor, ihr Ort der Möglichkeiten. Die Hälfte meiner Bücher gäbe es ohne das Rechenzentrum nicht. Denn Kunst entsteht nicht in geordneten Bahnen, sondern in Freiräumen wie diesem.
Dr. Max Czollek, Autor und Kurator
Wir brauchen das Rechenzentrum, weil es ein Ort selbstbestimmter kreativer Arbeit ist. Das ist gerade in Zeiten knapper Kassen und rechter Kulturkämpfe ein immer knapper werdendes Gut. Es ist auch ein Gegenentwurf zur preußischen Autoritätshörigkeit, für die die rekonstruierte Garnisonkirche nebenan steht. RZ muss bleiben!
Katja Melzer
Direktorin Brandenburg Museum für Zukunft, Gegenwart und Geschichte,
Geschäftsführerin Brandenburgische Gesellschaft für Kultur und Geschichte gGmbH
Das Rechenzentrum bietet seit 10 Jahren einen zentralen Ort für Begegnung, Austausch und Kreativität. Darüber hinaus leisten Künstler:innen, Kreativschaffende, Vereine zur Inklusion, Initiativen zur Integration und wissenschaftliche Einrichtungen mit niedrigschwelligen Kultur- und Bildungsangeboten einen wichtigen Beitrag zur Verständigung der Potsdamer Stadtgesellschaft. Dass dieser einzigartige Ort in Potsdam nun wieder vor dem Aus stehen soll, ist nicht nachvollziehbar. Das Rechenzentrum muss in all seiner Vielfalt und Wirkungskraft erhalten bleiben!
Prof. Dr. Frank Bösch, Direktor des Leibniz-Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF)
Nicht nur preußische Bauwerke stehen für die gebrochene deutsche Geschichte, sondern auch die der DDR. Das Rechenzentrum verkörpert die gescheiterten computergestützten Planvisionen der SED, aber auch die vielfältigen, oft schwierigen Aufbrüche nach der Einheit. Auch deshalb sollte es als kreativer Ort neben der Garnisonkirche erhalten bleiben.
Bernadette La Hengst, Musikerin
Das Rechenzentrum in Potsdam ist die große Schwester des Haus der Statistik in Berlin, wo ich seit vielen Jahren meinen Chor der Statistik leite. Genau solche Orte braucht es in den Stadtzentren, für eine lebendige Kultur in bezahlbaren Räumen, für Soziales, Nachhaltiges und Kunst. Das muss erhalten bleiben!