Vier-Phasen-Prozess für den Bereich Garnisonkirche – Rechenzentrum
Stand Juni 2022
Im Juni 2020 beschloss die Stadtverordnetenversammlung: „Bis zum Frühjahr 2023 soll in einem mehrstufigen Verfahren und unter Wahrung der Eigentumsrechte und Nutzendeninteressen, ein inhaltliches und gestalterisches Konzept für den Bereich bzw. die Standorte Garnisonkirche und Rechenzentrum erarbeitet werden.”
Um „aus der Vergangenheit Wege der Verantwortung und des demokratischen Zusammenhalts für die Gegenwart und Zukunft aufzuzeigen, insbesondere für die nachwachsende Generation” schlug der Oberbürgermeister vor, „Gespräche mit der Stiftung Garnisonkirche und der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche über die zukünftige Nutzung des Grundstücks des ehemaligen Kirchenschiffs als Demokratiezentrum […] zu führen.”
In den Monaten zuvor hatte der Oberbürgermeister Einzelgespräche mit Interessengruppen geführt, bei denen ersichtlich wurde, „dass sich die zivilgesellschaftlichen Akteure eine Öffnung des Diskurses über die zukünftige Nutzung des Standortes wünschen”, weshalb es angebracht schien, „weitere Gedenkstätten-, Lern-, Jugendbildungs- und Museumsstandorte der Stadt in die Überlegungen miteinzubeziehen”.
Ursprünglich waren von Juni 2020 bis Frühjahr 2023 folgende vier Phasen angedacht:
P H A S E 1 : Abstimmung eines mehrstufigen Verfahrens mit Eigentümern und Nutzenden bis Juni 2020
P H A S E 2 : Erstellung eines inhaltlichen Konzeptes bis Januar 2021
P H A S E 3 : Erstellung eines gestalterischen Konzeptes auf Grundlage des inhaltlichen Konzeptes bis Sommer 2022
P H A S E 4: Schaffung der baurechtlichen Voraussetzungen zur Umsetzung der konzeptionellen Entscheidungen bis Frühjahr 2023
Im August nahm die SVV einen Antrag auf Terminverschiebung des Berichts zu Phase 1 auf das 4. Quartal 2020 an. Die tatsächliche Phase 1 ging also bis Dezember 2020: Mit Vertreter:innen von Stadt, RZ und GK wurde das Verfahren festgelegt und ein gemeinsamer Letter of intent formuliert.
Die Vollversammlung der RZ-Mieter:innen beschäftigte sich am 17.11.2020 mit dem Entwurf des Letter of Intent für Phase 2. Eine Kernfrage war: Unterschreiben wir diese Absichtserklärung oder haben wir Änderungswünsche? Nach einer längeren Diskussion wurde ein Stimmungsbild eingeholt, dass mehrheitlich den Wunsch abbildet, bei Phase 2 mitzumachen – teils wurden sich Bedingungen zur Teilnahme gewünscht, teils waren Teilnehmende unschlüssig. Ein ähnliches Bild boten eine spätere Onlineumfrage unter Mieter:innen, die terminlich bei der Versammlung verhindert waren, sowie eine Abfrage in der Mitgliederversammlung des FÜR e.V.
In der Folge stellte die RZ-Strategie-Gruppe das 4-Phasen-Team zusammen: Annette Paul, Anja Engel, Elias Franke/ Kristina Tschesch, Frauke Röth, Hermann Voesgen und Philipp Oswalt vertreten die Belange des RZ im Design-Thinking-Prozess.
Im Rathaus wurde am 2.12.2020 der Beschluss zum Beginn von Phase 2 in den Hauptausschuss verschoben. Dieser tagte am 20.1.2021 und beschloss:
„Die Stadtverordnetenversammlung der Landeshauptstadt Potsdam bestätigt die gemeinsame Vereinbarung zwischen der Landeshauptstadt Potsdam, der Stiftung Garnisonkirche Potsdam und den Nutzenden des Rechenzentrums zur Erstellung eines inhaltlichen Konzeptes für den Standort Garnisonkirche/Rechenzentrum.”
Am 18. Februar beschloss dies auch die Stadtverordnetenversammlung (20/SVV/1386).
Am 5. März 2021 unterzeichneten
- Oberbürgermeister Mike Schubert für die Landeshauptstadt Potsdam,
- Peter Leinemann und Wieland Eschenburg für die Stiftung Garnisonkirche Potsdam und
- Anja Engel, Hermann Voesgen, Kristina Tschesch und Elias Franke als Vertretung der Nutzenden des Rechenzentrums
die gemeinsame Vereinbarung zur Arbeit an einem Nutzungskonzept für den Standort Plantage und zur Durchführung eines Design-Thinking-Prozesses.
Die Vorbereitungen des Design-Thinking-Prozesses begannen, Ergebnisse wurden zunächst im Oktober 2021 erwartet. Diese sollen bei Machbarkeitsstudien zur Gestaltung des Standortes berücksichtigt werden.
Doch was ist Design Thinking überhaupt? – Die “D-School” des Hasso-Plattner-Instituts, die den Vier-Phasen-Prozess begleitet, definiert es so: „Design Thinking ist eine systematische Herangehensweise an komplexe Problemstellungen aus allen Lebensbereichen. […] Die Arbeits- und Denkkultur von Design Thinking beruht auf den drei Elementen multidisziplinäre Teams, variable Räume und Design Thinking-Prozess.”
Von April bis August 2021 nahm die School of Design Thinking diverse Termine im Dreieck (LHP – RZ – GK) und im öffentlichen Raum sowie im Hauptausschuss wahr. So wurde beispielsweise im Juni 2021 die nahegelegene Voltaireschule an der Ideenfindung zur Gestaltung des Areals Plantage, Rechenzentrum und Garnisonkirche beteiligt.
Des Weiteren befragten die Studierenden z. B. Bürger:innen vor der Stadtbibliothek und in Onlineveranstaltungen. Eine mehrfach geäußerte Bürger:innen-Meinung war, dass die „Stadtentwicklung die Vielfalt der Stadtgesellschaft nicht abbilde”. Zudem fiel auf, dass nicht wenige Einwohner:innen Potsdams die Debatte um den Raum RZ – GK als emotional belastend bzw. belastet empfanden.
Nach ersten Präsentationsrunden waren sich die Auftraggebenden des Design Thinkings Prozesses darin einig, dass ein wichtiges Potenzial des Ortes darin liegt, Geschichte erlebbar zu machen. Im RZ gab es viel Sympathie für die Idee, den Ort und sich vermehrt in Richtung Bildungsangebote zu orientieren.
Intern wurde das Prozessergebnis im Oktober bekannt. Bis Dezember fanden mehrere Runden im Dreieck LHP – RZ – GK statt. Offiziell fand im Dezember 2021 Phase 2 ihren Abschluss mit dem ›Platz Da!‹-Konzept. In diesem unterbreiteten die Prozessbeteiligten gemeinsam mit der Stadtverordnetenversammlung eine Empfehlung als Grundlage für die Fortsetzung des Prozesses.
Am 08.12.2021 wurde das “Platz Da!”-Konzept der Presse und dem Hauptausschuss der SVV durch OBM Schubert, Altbischof Huber (SGP) und die RZ-Managerin Engel vorgestellt. Dieser befasste sich am 5. Januar 2022 in einer Sondersitzung mit dem „Platz da!“-Konzept. Es empfiehlt die Schaffung eines Forums an der Plantage mit dem Turm der Garnisonkirche, dem Rechenzentrum und einem verbindenden Haus der Demokratie.
In einer offiziellen Stellungnahme bewertete die Strategiegruppe des Rechenzentrums das Konzept als „die Grundlage für ein Quartier produktiver Vielfalt”. Die beiden „Meilensteine” seien ein Haus der Demokratie als dritte Akteurin und der angedachte Fortbestand des Rechenzentrums im Rahmen der drei Nutzungscluster, die das „Platz da!”-Konzept definiert. Hinsichtlich der Möglichkeit, einen Teilbereich des Rechenzentrums in die architektonische Gestaltung und das Nutzungskonzept des Hauses der Demokratie einzubeziehen, formulierte die Strategiegruppe zu beachtende Prämissen:
- keine Eingriffe in die bestehende Vertikalerschließung des Rechenzentrums (die beiden Treppenhäuser) und die damit bestehende Fluchtwegekonzeption
- keine Eingriffe, die den „ausdrucksstarken Kontrast zwischen Garnisonkirchenturm und Rechenzentrumsfassade zur Breiten Straße beschädigen oder beseitigen”.
In einem weiteren Schritt war eine Grundsatzentscheidung zur Umsetzungsempfehlung von der Stadtverordnetenversammlung abzustimmen. Hierfür befragten Stadtverordnete verschiedene Beteiligte, bevor es zur Stimmabgabe kam.
Der Ablaufplan des „Platz Da!”-Konzeptes sah vor:
- nach einer positiven Grundsatzentscheidung ein Raumprogramm zu erarbeiten,
- die Stiftung Garnisonkirche Potsdam, die Nutzer:innen des Rechenzentrums und die Landeshauptstadt Potsdam weiter in produktive Kommunikation zu bringen,
- das Raumprogramm als Grundlage für eine Machbarkeitsstudie in Form eines Architekturwettbewerbs zu nutzen und
zur Erarbeitung des Raumprogramms zwei Arbeitsgruppen zu bilden (bestehend aus u. a. SVV, Beteiligungsrat, KIS und Förderverein des Potsdam Museums).
Für die Ausschreibungsgrundlagen der Machbarkeitsstudie wiederum sollte „eine Werkstatt unter Mitwirkung der Stiftung Garnisonkirche Potsdam, der Nutzer:innen des Rechenzentrums, Vertreter:innen der Stadtverordnetenversammlung, des Gestaltungsrates, der Architektenkammer, des Kinder- und Jugendbüros, des Klimarates der Landeshauptstadt Potsdam und weiteren Expert:innen” durchgeführt werden.
Am 17.01.2022 legte OBM Schubert eine geänderte Beschlussvorlage zum 4-Phasen-Prozess vor (22/SVV/0071), die klarstellte, dass das neue Gebäude (Haus der Demokratie) die Aufgabe habe „die Grundfläche des ehemaligen Kirchenschiffs nachvollziehbar werden zu lassen”. Dies und die Frage nach einer Erbbaupachtregelung führten zu Debatten in den Rathausversammlungen.
Schließlich aber, am 26.1.2022, stimmte die SVV einem Änderungsantrag der Rathauskooperation zur Beschlussvorlage des OBM zu. Dieser enthielt Anregungen zur Grundstücksrückübertragung. Somit ging der 4-Phasen-Prozess in die 3. Phase über, es wird eine Machbarkeitsstudie beauftragt.
Inhaltliche Eckpfeiler für die Beauftragung der Machbarkeitsstudie sind:
- der Verzicht auf einen Wiederaufbau des Kirchenschiffs
- Das Grundstück soll wieder in städtische Verantwortung, damit ein „Haus der Demokratie” errichtet werden kann.
- Falls diese Rückübertragung nicht vollzogen werden kann, soll ein Erbpachtvertrag genutzt werden.
- Das Rechenzentrum soll als Gebäude mit selbstverwalteter soziokultureller Nutzung weitestgehend erhalten bleiben.
- Die drei heterogenen Bausteine / Gebäude werden gemeinsam ein öffentliches Forum bilden.
- Der Diversität der Positionen zum seit drei Jahrzehnten heftig umkämpften Ort soll Rechnung getragen werden.
Während die Stiftung Garnisonkirche und die Vollversammlung der Mieter:innen des Rechenzentrums den Beschluss für eine solche Machbarkeitsstudie begrüßten, kritisierten Mitteschön! und Teile der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche diesen. Zudem bemängelten linksorientierte Initiativen und Parteien, dass der Beschluss zu große Zugeständnisse an die Stiftung Garnisonkirche und ihr Turmbauvorhaben mache.
Bei der nun folgenden baulich-räumlichen Planung (3. Phase des 4-Phasen Prozesses) muss ein Raumprogramm für die Nutzungen im Haus der Demokratie konkretisiert werden. Baulich-räumlich stehen etwa 20% des Rechenzentrums im Bereich des Ostflügels als Potenzialfläche für die zukünftige Ausgestaltung des Ortes der Demokratie zur Verfügung. Um auf die Belange des RZ zu achten, wird sich u. a. der FÜR e.V. an der 3. Phase / Machbarkeitsstudie beteiligen.
Die Strategíegruppe des Rechenzentrums wies bereits im Winter 2021/2022 darauf hin, dass die für die Nutzer:innen des Rechenzentrums verbleibenden Flächen frühzeitig verbindlich abgesteckt werden müssen. Des Weiteren ist darauf zu achten, dass Festlegungen städtebaulicher Vorgaben und des Raumprogramms in wechselseitiger Abhängigkeit und unter Rücksichtnahme auf die Bestandsbauten und -nutzungen erfolgen.
„Das zu entwickelnde Raumprogramm sollte dem Ziel eines Ortes der Geschichte und der Demokratie entsprechen. Eine Festlegung einzelner Komponenten ist gegenwärtig verfrüht, weil damit ggfs. Sachzwänge produziert werden, welche die nun gefundene Gesamtkonzeption gefährden. Das Kunst- und Kreativhaus Rechenzentrum ist ein dynamischer, sozialer Ort. Mit der Umstellung von einer Zwischennutzung zu einer langfristigen Nutzung und der damit einhergehenden behutsamen baulichen Sanierung andererseits wird sich das Haus weiterentwickeln und profilieren. Es schafft erneut dringend benötigten Platz für gemeinwohlorientierte Akteure aus den soziokreativen Bereichen der Stadtgesellschaft. Durch eine Neugestaltung der Erdgeschoss-Zone wird sich das Rechenzentrum verstärkt in den städtischen Raum und zu den benachbarten Nutzer:innen öffnen. Auch die Trägerschaft für den selbstverwalteten, gemeinnützigen Dauerbetrieb wird sich fortentwickeln, ggfs. unter Einbeziehung genossenschaftlicher Modelle.” – Zitat Stellungnahme der Strategiegruppe RZ
Im Hauptausschuss am 29.6.2022 kam es zu Irritationen, da der Kommunikationsvorstand der Stiftung Garnisonkirche zuvor gegenüber medial wirksam gesagt hatte, dass das Haus der Demokratie „nur ein Vorschlag” sei. Schließlich war am 30.04.2022 ein neuer Vorstand der Fördergesellschaft für den Wiederaufbau der Garnisonkirche (FWG) gewählt worden. In der FWG mehrten sich Stimmen für ein Kirchenschiff nach historischem Vorbild, die dem gesamten 4-Phasen-Prozess ablehnend gegenüberstehen.
Die Stadtverordnetenversammlung betonte, weiter hinter dem Projekt „Haus der Demokratie” zu stehen und auf das Rechtsgutachten zum Umgang mit dem entsprechenden Grundstück zu warten. Der Oberbürgermeister sagte zu, dass im September die Vorstufe zum Plenarsaal zur Einsicht bereit läge.